
„Seit 2019 beschäftige ich mich mit dem Thema Zeitbrücken, das sich an der Schnittstelle von künstlerischer Praxis, medienhistorischer Reflexion und Übersetzung bewegt. Im Zentrum steht die Frage, wie historische Prozesse – insbesondere im Bereich des Buchdrucks – durch künstlerische Mittel neu interpretiert und aktualisiert werden können.
Ausgangspunkt ist das kulturelle Erbe zweier Meilensteine der Druckgeschichte: Jikji (1377, Korea) und die Gutenberg-Bibel (1455, Deutschland). Diese beiden historischen Bezugspunkte dienen als Anker für eine interkulturelle Auseinandersetzung mit beweglichen Metalllettern, Materialität und Sprache.“
Ziele und Fragestellungen
Das Projekt zielt darauf ab,
● kulturelle und technologische Entwicklungen des Buchdrucks in Korea und Deutschland vergleichend zu analysieren,
● den künstlerischen Umgang mit Typografie als Medium der Übersetzung und Erinnerung zu reflektieren,
● eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen.
Zentrale Fragestellung:
Wie lassen sich historische typografische Praktiken im heutigen künstlerischen Kontext aktualisieren und übersetzen?
Umsetzung
Die künstlerisch-praktische Umsetzung fand ihren Ausdruck in der Ausstellung des Windes, die vom 5. bis 8. Dezember 2024 im Atelierhaus im Anscharpark in Kiel realisiert wurde.
Die Ausstellung präsentierte typografische Arbeiten im Hochdruckverfahren, die in Werkstätten in Korea und Deutschland entstanden sind. Jede Arbeit reflektierte die Verbindung von Geschichte, Materialität und Sprache, wobei das Motiv des Windes als poetische Metapher für Bewegung, Übergang und Ephemerität fungierte.
Inhaltliche Struktur der Ausstellung
Die Ausstellung des Windes gliederte sich in fünf inhaltliche Bereiche, die sich auf unterschiedliche Weise mit Schrift, Sprache, Erinnerung, Materialität und kulturellem Erbe auseinandersetzen. Jeder Teil repräsentiert eine eigene Perspektive auf Typografie als poetisches, historisches und mediales Ausdrucksmittel.
1. of Winds
Dieser Teil vereint deutsch- und koreanischsprachige typografische Arbeiten, die während Aufenthalten in Mainz und Paju entstanden sind. Die Werke reflektieren den Atem des Windes als poetisches Motiv und nutzen die typografische Mitte als Ort der Ruhe und Konzentration. Die doppelte kulturelle Herkunft verweist auf die interkulturelle Dimension des Projekts.
2. Ephemeral
Dieser Teil vereint typografische Arbeiten in deutscher, koreanischer und englischer Sprache, entstanden in Paju und Dortmund. Die Werke folgen den feinen Spuren von Wandel, Verlust und Zeit – eingefangen in Momenten des Entstehens und Vergehens.
3. Movable Metal Type
Hier wird Typografie vom zweidimensionalen Abdruck zum skulpturalen Objekt. Bewegliche Metalllettern werden als Skulpturen präsentiert – als materielle Speicher von Text, Zeit und Handwerk. Ihre Präsenz verweist zugleich auf den Wandel technologischer Praktiken.
4. The Book of the Winds
Die Ausstellung wird begleitet von einer gedruckten Publikation, die theoretische Reflexionen in Heftform zugänglich macht und zur Weiterführung des künstlerischen Dialogs einlädt.
5. Fragments of Heritage
Historische Repliken der Gutenberg-Bibel und der Jikji verknüpfen die Buchdruckgeschichte zweier Kulturen. Sie markieren die materiellen Ursprünge des typografischen Denkens und laden zur Auseinandersetzung mit Erinnerung, Tradition und Übersetzung ein. Als „Fragmente“ aktiviert, fungieren sie als lebendiges Archiv kultureller Genealogien.
Die Ausstellung im Atelierhaus im Anscharpark verband materielle, räumliche und sprachliche Elemente. Durch ihre strukturierte Vielschichtigkeit öffnete sie ein Feld der Begegnung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Ost und West, Lesbarkeit und Auflösung – und formte daraus eine poetische Reflexion über Schrift als kulturelle Brücke.